Der Jugendbuchautor Christian Linker im Gespräch mit den Lesepunkten auf der Frankfurter Buchmesse 2017

Der Jugendbuchautor Christian Linker im Gespräch mit den Lesepunkten auf der Frankfurter Buchmesse 2017

"Was ich gar nicht leiden kann, ist, wenn Kommentare subtil sind, denn es gibt viel Menschenverachtendes, was sprachlich verkleidet wird."

LESEPUNKTE: Du hast zunächst Theologie studiert. Wie kam es dann dazu, dass du Autor geworden bist?

Christian Linker: Zum Theologiestudium bin ich eher durch Zufall gekommen. 9783423740272Zunächst bin ich für ein halbes Dutzend Studiengänge eingeschrieben gewesen, bevor ich dann mit Theologie begann. Das ist dann auch der Studiengang, den ich letztendlich abgeschlossen habe. Aber als Theologe habe ich nie richtig gearbeitet. Mein Ziel war es eigentlich schon immer zu schreiben und Autor zu werden. Auch während des Theologiestudiums habe ich schon immer geschrieben. Als ich dann gemerkt habe, dass es mit dem Schreiben läuft, bin ich das Risiko eingegangen und habe beschlossen nur noch als Autor zu arbeiten.

LESEPUNKTE: Was war deine erste Geschichte, die du geschrieben hast und die dir gut gefallen hat?

Christian Linker: (lacht) Mhhh... die mir selbst gefallen hat, dass ist schwierig. In der Grundschule habe ich Piratengeschichten geschrieben und ein bisschen Fantasy. Ich habe auch mal versucht ein Fantasy-Buch zu schreiben, aber ich habe gemerkt, ich kann es nicht (lacht). Diese epische Art zu erzählen liegt mir leider nicht, weil ich mir dann immer überlege, wie das in der Realität funktionieren soll. Ich bin eher im realistischen Erzählen zu Hause.

LESEPUNKTE: Deine Romane haben häufig einen politischen Kern. Hat in deiner Jugend Politik selbst eine Rolle gespielt?

Christian Linker: Ja, das hat mich schon immer interessiert. Ich habe es als Jugendlicher zwar noch nicht ganz als Politik aufgefasst, aber mich hat schon immer interessiert, wie Sachverhalte zusammenhängen, und mir hat es Spaß gemacht, mich zu engagieren und mich mit anderen Menschen für eine Sache einzusetzen. Aber als Schlüsselerfahrung kann man meine Zeit als Klassensprecher in der 7. Klasse nennen (lacht). Wir hatten damals Probleme mit einer Lehrerin und ich habe meine Rolle als Klassensprecher sehr ernst genommen und hatte mir in den Kopf gesetzt, dass wir gegen diese Lehrkraft etwas unternehmen müssen. Wir wurden dann aber aufgefordert, das zu unterlassen, was mein kindliches Gerechtigkeitsempfinden sehr getroffen hat – davon ist bis heute was hängen geblieben. Natürlich ist es auch schwer zu sagen, was gerecht und was ungerecht ist, aber ich kenne es heute noch, dass mich bestimmte Umstände sauer machen oder Strukturen, die ich ungerecht finde. Das ist für mich eine wichtige Triebfeder.

LESEPUNKTE: Hilft dir dein außerschulisches Engagement im Bereich der Jugendpolitik dabei, deine Bücher zu schreiben?

Christian Linker: Nein, es stört mich eher. Ich habe zwar während meines Studiums mit Jugendlichen gearbeitet, aber später habe ich einen Dachverband von Jugendverbänden geleitet und das lief auf einer sehr abstrakten Ebene ab. Wir waren viel im Landtag, haben Hintergrundgespräche mit Abgeordneten geführt und das war zum Teil sehr trocken. Wenn ich ein Buch schreibe, dann habe ich häufig auch eine politische Fragestellung im Kopf und die muss ich zunächst aus dem Kopf bekommen, weil der Leser oder die Leserin sonst das Gefühl bekommen kann, dass ich als AutorIn keine Geschichte erzählen möchte, sondern dass in das Buch unbedingt eine Botschaft sollte. Ich bin der Meinung, dass wir genau von diesen Büchern genug haben. Mein Ziel ist es, interessante Geschichte zu erzählen, über die hinaus sich natürlich auch Fragen ergeben können, die politischer Natur sind. Und wenn es dann gut läuft und die LeserInnen sich weiterführende Gedanken machen, eine Meinung bilden oder es vielleicht auch provoziert, dann ist das schön.

LESEPUNKTE: Was war deine Intention, den „Der Schuss“ zu schreiben?

Christian Linker: Ich habe mich schon lange über die politische Entwicklung geärgert und dann meinte meine Agentin, dass ich was dazu schreiben solle. Mit meinem Werk „Das Heldenprojekt“ habe ich das schon vor 12 Jahren gemacht, wo es um eine kleine Gruppe von Jugendliche geht, die sich mit einer kleinen rechtsradikalen Splitterpartei anlegen. Aber da es mich wirklich gereizt hat, nochmal etwas zu dem Thema zu schreiben, haben der Verlag (dtv) und ich beschlossen, dass ich mich sofort damit befasse und alles andere erstmal ruht.

LESEPUNKTE: Bist du für die Recherche deines Buches gezielt in die rechtsextreme Szene eingetaucht oder hast dich mit Parteimitgliedern aus der AfD unterhalten?

Christian Linker: Ich habe nicht gezielt recherchiert, denn die Dialoge, Wörter oder Zitate, die ich benenne, sind mitten aus dem Leben, was es auch so leichtgemacht hat, den Roman zu schreiben. Sie begegnen dir in deinem Alltag, im Internet oder im Fernsehen. Und es ist so einprägsam, weil vor allem, wenn man die AfD betrachtet, sie ein sehr starkes Narrativ haben. Was ich schon gemacht habe, ist, dass ich in einschlägigen Foren nachgeschaut habe, was da geschrieben wird.

LESEPUNKTE: Hast du die Bundestagswahl mit anderen Augen betrachtet, nachdem du dein Buch geschrieben und veröffentlicht hattest?

Christian Linker: Es hat sich in den Wochen zuvor ja bereits abgezeichnet, was passieren wird, aber ich war dennoch sehr betroffen über das Ergebnis. Aber ich bin der Meinung, dass sich gerade an der AfD viel zu sehr abgearbeitet wird und es den anderen Parteien – Stichwort Narrativ – an starken Bildern fehlt, um dagegenzusetzen.

LESEPUNKTE: Was verbindest du mittlerweile mit dem Wort „Alternative“?

Christian Linker: Es ist mittlerweile ausgehöhlt, obwohl auch ein gewisser Stachel drinsitzt, denn über die wirklichen Alternativen wird kaum noch gesprochen – obwohl es sie gibt. Aber, so empfinde ich das, es gibt schon länger eine Bewegung, dass Wörter umgewertet werden. Aber gerade, weil Sprache so eine Macht hat, ist es mir wichtig, dass sich Bücher und Menschen mit der Thematik auseinandersetzen müssen, weil Sprache unser Medium ist. Und gerade der Rechtspopulismus arbeitet damit, dass er die Sprache als Geisel nimmt. Deswegen sind alle herausgefordert.

LESEPUNKTE: Im Internet wird viel Hetze betrieben, das zeigst du auch in deinem Buch. Was kann dich dazu bringen, dass du auf solche Kommentare reagierst?

Christian Linker: Was ich gar nicht leiden kann, ist, wenn Kommentare subtil sind, denn es gibt viel Menschenverachtendes, was sprachlich verkleidet wird. Und gerade diese verkleideten Äußerungen sind so subtil. Zum einen kommt der unverhohlene Rassismus zum Ausdruck und zum anderen bringen sich die Verfasser selbst in eine Opferrolle, da sie der Meinung sind, dass ihre Meinung unterdrückt wird. Dadurch wird dann versucht, die eigene Position unangreifbar zu machen und jegliche Diskussion abzuwehren. Und das macht mich sauer.

LESEPUNKTE: Sind die Posts, die du im Buch zitierst, Originale aus dem Netz?

Christian Linker: Nein, sie sind nicht eins zu eins zitiert, aber angelehnt an das, was man so im Netz lesen kann.

LESEPUNKTE: Was wünschst du dir für unsere Jugend?

Christian Linker: Global gesagt – mehr Aufmerksamkeit. Jugendthemen sind in der Öffentlichkeit häufig negativ besetzt, also es wird zu viel auf die Defizite geschaut, die die Jugend hat. Aber die eigentlichen Themen, die die Jugend betreffen, wie die Rente, das Klima, Frieden, all diese Zukunftsthemen, die werden meiner Meinung nach zu wenig thematisiert.

LESEPUNKTE: Als letztes würde ich gerne von dir wissen, ob du die Figur Robin magst?

Christian Linker: (lacht) Man muss seine Hauptfigur schon mögen, sonst wird das nichts. Robin mag ich schon gerne, obwohl man dem manchmal auch in den Hintern treten muss, damit er was macht, aber die Seite habe ich irgendwie auch in mir (lacht). Aber er entwickelt sich ja auch, was ich schön finde.

Das Interview wurde von der LESEPUNKTE-Redaktion für einen verbesserten Lesefluss gekürzt und an eine geschlechtergerechte Sprache angepasst.

Christian Linker wurde 1975 geboren und studierte Theologie, bevor er sich vollständig dem Schreiben widmete. All seine Werke sind bei dtv erschienen.

Empfohlene Zitierweise

Interview mit Christian Linker (Julia Wagener). In: LESEPUNKTE, URL: https://www.lesepunkte.de/interview/der-jugendbuchautor-christian-linker-im-gespraech-mit-den-lesepunkten-auf-der-frankfurter-buchmesse-2017/
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