Irmgard Keun: Kind aller Länder

Lesepunkte: 3 Punkte
AutorIn: Irmgard Keun
Titel: Kind aller Länder
Verlag: Kiepenheuer&Witsch, 2016 ISBN: 978-3-462-04897-1
Seiten: 224 Preis: 17,99 Euro
Altersempfehlung: ab 14 Jahren

Rezensiert von: Sarah Kamerichs, Mia Spitz & Anna Homann [Max-Ernst-Gymnasium-Brühl; Betreut von: Dagmar Lorenzen]

„Kind aller Länder“ – so heißt der Exilroman von Irmgard Keun, der erstmals 1938 in Amsterdam veröffentlicht wurde. In dem Buch geht es um die 10-jährige Kully, die gemeinsam mit ihren Eltern aus dem damaligen nationalsozialistischen Deutschland flieht. Der Vater, ein leichtfertiger, trinkender und verschwenderisch lebender Schriftsteller, versucht immer wieder Geld aufzutreiben, während Kully mit ihrer Mutter als „Pfand“ im Hotel zurückbleiben und auf ihn warten müssen. Doch ständig befinden sie sich auf der Flucht und so erfährt die kleine Kully, wie es ist, von Land zu Land zu ziehen. Aber obwohl die Reisen quer durch Europa gehen und schließlich bis nach Amerika reichen, verliert das neugierige Mädchen nie ihre Lebenslust und nimmt den Leser mit auf ihr Abenteuer.

Schnell wird deutlich, dass das Buch starke autobiographische Züge enthält. Irmgard Keun lebte selbst mehrere Jahre im Exil und kam in ihrem Leben viel durch Europa. Hinzu kommt, dass Kullys Eltern Ähnlichkeiten mit Keun selbst und ihrer damaligen Liebesbeziehung zu Joseph Roth haben. Dieser Zusammenhang zwischen Autorin und Geschichte macht das Buch gleich viel glaubwürdiger und zeigt, wie das Leben im Exil damals aussah.

An dem Buch gefällt uns, dass es aus der Sicht der 10-jährigen Kully als Ich-Erzählerin geschrieben ist. Dadurch ist die Sprache sehr lebhaft, einfach und das Buch ist sehr gut zu lesen. Man will schnell weiterlesen, um zu erfahren, wie es Kully und ihrer Familie auf ihrer Flucht ergeht. Findet Kully am Ende eine „Heimat“, in der sie endlich dauerhaft mit anderen Kindern spielen kann? Aber wir haben auch einige Kritikpunkte an dem Roman. Beispielsweise besitzt der Roman einige Stellen, die sich sehr in die Länge ziehen, auch wenn sie nicht sonderlich spannend oder von großer Bedeutung sind. Zwar gibt es keine Stellen des Romans, die nicht durchdacht und mit Absicht platziert wirken, doch machen die besagten langgezogenen Stellen deutlich weniger Freude zu lesen als manch andere.

Zudem müssen wir anmerken, dass uns Kullys kindlich naive Erzählweise, zwar weitestgehend sehr gut gefallen hat, aber an manchen Stellen zu extrem ausgeprägt ist. So entsteht in einem ein Gefühl, bei dem man die Protagonisten anschreien möchte, um ihnen klar zu machen, dass sie etwas nicht tun sollten, da dies höchstwahrscheinlich negative Folgen haben wird. Genauso ging es uns stellenweise beim Lesen des Romans. Kully ist so jung, dass sie die Geschehnisse des Romans nur auf ihre Art wiedergeben kann, doch wünscht man ihr so oft ein wenig mehr Verständnis ihrer eigenen Situation, damit sie sich selbst zu helfen weiß.

Dennoch hat Irmgard Keun es geschafft, die existentiell schwierigen Themen wie notorischen Geldmangel, Kriegsangst, Verfolgung, Flucht, Verlassen-werden-Ängste und Selbstmorde (in engster Umgebung) aus Sicht des Kindes so kindlich naiv plaudernd zu erzählen, dass manche Situationen zum Teil sogar sehr komisch sind und man lachen muss. Dieses Buch ist komisch und leicht sowie bedrückend und tief traurig zugleich.

Interessant ist zudem, dass die Flüchtlings- und Exilproblematik momentan wieder hoch aktuell ist und in unsere Zeit passt. Einige Themen und Problematiken, wie z.B. das Sprachenlernen und Kennenlernen neuer Kulturen und nationaler Eigenarten, treffen die aktuell zu uns geflüchteten Menschen sicherlich genauso wie damals die Emigranten vor der Herrschaft der Nationalsozialisten.

Zusammenfassend gefällt uns das Buch sehr gut und wir würden es auch als Schullektüre empfehlen.

Empfohlene Zitierweise

Sarah Kamerichs, Mia Spitz & Anna Homann, Rezension von: Irmgard Keun: Kind aller Länder, In: LESEPUNKTE 2017, URL: https://www.lesepunkte.de/rezensionen/irmgard-keun-kind-aller-laender-7/
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