George R. R. Martin: Das Lied von Eis und Feuer. Die Herren von Winterfell

Lesepunkte: 4 Punkte
AutorIn: George R. R. Martin
Titel: Das Lied von Eis und Feuer. Die Herren von Winterfell
Verlag: blanvalet Verlag (Random House), 2010 ISBN: 978-3-442-26774-3
Seiten: 576 Preis: 16,00 Euro

Rezensiert von: Soeren Schmidt, 8. Klasse [Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Leverkusen; betreut von: Christoph Heckl]

Die Herren von Winterfell – ein nichtssagender Titel für ein gigantisches Werk.

Die  Fantasy-Saga „Die Herren von Winterfell“, welche der erste Band der Romanreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ ist und von George Raymond Richard Martin verfasst wurde, wurde im Jahr 1996 veröffentlicht.

„Die Herren von Winterfell“ ist Martins erster großer Roman. Allerdings hat der inspirierte Autor schon in seiner Kindheit einige kleinere „Monster“- Bücher geschrieben und an seine Nachbarn verkauft, worin sich nicht nur sein Schreibtalent, sondern durchaus auch sein Gespür für Unterhaltung und daraus entstehenden Gewinn offenbart.

Martin, der am 20. September 1948 in Bayonne, New Jersey, geboren wurde, bewies seine Fähigkeiten nicht nur im ausgezeichneten Studienabschluss, den er 1970 nach seinem abgeschlossenen Journalistikstudium an der Nothwestern University Evanston, Illinois, als Bachelor mit „summa cum laude“ erzielte, sondern zeigte sein Talent nach dem zügig abgeschlossenen Masterstudium insbesondere in der Unterhaltungsbranche: In den 80er Jahren machte er einen Ausflug ins Filmgeschäft und wurde Drehbuchautor für die Serie „Twilight Zone“ bei CBS Television.

In den 90er Jahren kehrte er zum Schreiben zurück und veröffentlichte 1996 den ersten Band seiner bejubelten Reihe „Das Lied von Eis und Feuer“. Nicht umsonst gibt es mittlerweile für Fans  Trading Cards, Brettspiele und auch ein PC Spiel.

Martin genießt seinen Ruhm heute in Santa Fe, New Mexico, wo er derzeit lebt.

 

 

Werfen wir nun einen kurzen Blick auf den Inhalt des ersten Romanteils, der von vielen Handlungssträngen durchwoben ist.

Lord Eddard Stark, der Herr der Stadt Winterfell, soll auf Befehl von König Robert Baratheon an die Stelle von Jon Arryn, der ehemaligen Hand des Königs, die kürzlich verstorben ist, treten.

Wenn auch nicht ganz erfreut über diesen Befehl, folgt er seinem König nach Süden in die Hauptstadt Königsmund und überlässt die Verwaltung von Winterfell seinem 14-jährigen Sohn und Erben Robb, während sein Bastardsohn Jon Schnee in die Fußstapfen von Eddards jüngerem Bruder Benjen Stark tritt.

Bei Roberts Besuch auf Winterfell und am Königshof wird allerdings eines ganz deutlich: Robert Baratheon ist nicht mehr der Mann, den Eddard vor neun Jahren gekannt hatte. Stattdessen ist er ein schwacher, fetter, verschuldeter und turniersüchtiger König geworden, der nicht in der Lage ist, den Intrigen rund um den Eisernen Thron Einhalt zu gebieten. So bleibt die ganze Arbeit an Eddard hängen, die von zahlreichen Intrigen erschwert werden...

Viserys und seine Schwester Daenerys Targaryen, Abkömmlinge der ehemaligen Königsfamilie, die von Robert Baratheon schon vor langer Zeit ausgelöscht wurde, planen ihre Rückkehr nach Westeros, um sich an Robert Baratheon zu rächen. Zu diesem Zweck möchte Viserys die Dothraki Armee von Khal Drogo benutzen.

 

Was hier wie ein nahezu unübersichtliches, verwirrendes Ränkespiel erscheinen könnte, wird auf 573 Seiten sehr übersichtlich und konsequent entwickelt. Auch das gigantische Figurenarsenal wird sehr unterhaltsam nach und nach eingeführt. Wer dennoch verwirrt ist über die verschiedenen Adligenfamilien, für den gibt es hinten im Roman ein Register zu den „Wichtigsten Häusern der sieben Königslande“.

 

Wodurch wird aber dieses Feuerwerk aus Intrigen, Kämpfen und Liebesgeschichten entfacht?

Da ist zum einen der Pol des Guten, der sich auf mehrere, äußerst verschieden gestaltete Charaktere verteilt, so zum Beispiel Lord Eddard Stark, der Herr von Winterfell und die Hand des Königs. Als schon älterer Herr des Nordens mit fünf Kindern und einem unehelichen Sohn, Jon Schnee, ist er weise und ehrenhaft und steht in dem Roman ein Stück weit für Gerechtigkeit.

Ebenso ist sein unehelicher Sohn, genannt „Bastard“ Jon Schnee, ein gerade für Jugendliche faszinierender Charakter, der dem Leser aufgrund seines Mutes und seiner Entschlossenheit und Güte einfach ans Herz wächst.

 

Wo viel Licht, da viel Schatten.

Denn auch die Welt der Bösen trumpft mit einer Vielzahl von Figuren auf, die nicht nur Gegenpole zu den Repräsentanten des Guten sind, sondern sich auch untereinander vernichten.

Allen voran genannt sei hier Tywin Lennisters Tochter Cersei Lennister. Von allen Lennisters hasst sie die Starks am meisten. Aus diesem Hass heraus entwickeln sich spannende und heftige Streitigkeiten zwischen Schattenwolf (das Banner der Starks) und Löwe (das Banner der Lennisters).

Cersei allerdings, die als Gattin des Königs mit Eddard fast gleichgestellt ist, hat nicht nur mehr Macht als viele andere Bösewichte des Romans, sondern verfügt auch über ein loses, respektloses Mundwerk, mit dem sie die LeserInnen kurzweilig unterhält. So sagt sie an einer Stelle ausgerechnet zu Robert Baratheon: „Welch einen Scherz haben die Götter aus uns gemacht. Eigentlich solltet Ihr in Röcken gehen und ich im Kettenhemd“ (S. 544).

Dies bringt mich zur nächsten Person, die den Kosmos des Bösen noch in ganz eigener Weise ergänzt und den Roman noch bunter macht, als er ohnehin schon ist:

Viserys ist ebenfalls ein Repräsentant des Bösen. Er geht über Leichen, ist der letzte überlebende Sohn vom König Aerys Targaryen, der vor Robert Baratheon König war und verkauft seine Schwester Daenerys (jene, die die Romanwelt ab dem dritten Band mit Drachen- und viel Fantasy aufpeppen wird) an den Dothraki König Khal Drogo, um so eine Dothraki Armee zu bekommen, er ist der Typ „cash for live“.

 

Wer jetzt erwartet, durch Stereotypen von Gut und Böse gelangweilt zu werden, irrt sich gewaltig.

Die Figuren sind vielschichtig und keinesfalls immer nur einem Pol zuzuordnen.

Zum Beispiel ist nicht jeder Lennister zwingend Böse: Nehmen wir Tyrion, Cerseis kleinen Bruder. Zunächst unterscheidet sich sein Aussehen von jeder anderen Person aus Westeros enorm. Tyrion hat zwei ungleiche Augen und ist kleinwüchsig, was schon einmal auf einen nicht besonders gefährlichen Charakter hinweist. Jedoch sein Verstand kennt keine Grenzen! Er kann sich aus vielen schwierigen Situationen herausreden und versteht sich darauf, blitzschnell mit Witzen und seiner fröhlichen Gesellschaft viele Freunde zu gewinnen. Jedoch ist seine Schwäche auch bei vielen Personen aus Westeros und bald auch dem Leser bzw. der Leserin bekannt: Tyrion hat eine große Leidenschaft für Wein und Prostituierte.

 

Aus dem Blick auf dieses kunterbunte Figurenspiel ergibt sich beinahe schon von selbst, wie der Roman geschrieben ist: mit viel Tempo, zahlreichen Wortduellen, viel Witz und Ironie, aber auch einer detaillierten Darstellung von Kampfszenen, in denen das Gespräch schweigt und die Waffen sprechen, neben einer zuweilen überraschenden Vielfalt an erotischen Szenen, die nicht nur das zärtliche Liebesspiel, sondern auch die Welt der Prostitution nebeneinander existieren lässt.

Das macht das Romangeschehen ebenso faszinierend wie schillernd.

Vielleicht wird an dieser Stelle deutlich, warum der von mir zu Anfang kritisierte Titel diesem Werk nicht gerecht wird.

Durch die Vielfalt der Romanwelten ist Martin hier ein Werk gelungen, das ebenso jugendliche wie auch erwachsene LeserInnen fesselt. Dieser erste und sicherlich im Vergleich mit den Folgebänden anschaulichste Roman, lädt trotz seines Umfangs zu einer zügigen Lektüre ein. Man sollte sich, wenn man es einmal zur Hand genommen hat, nicht mehr so viel für den Tag vornehmen.

Ich gebe diesem Roman vier von fünf Lesepunkten.

Empfohlene Zitierweise

Soeren Schmidt, Rezension von: George R. R. Martin: Das Lied von Eis und Feuer: Die Herren von Winterfell. In: LESEPUNKTE 2019, https://www.lesepunkte.de/rezensionen/george-r-r-martin-das-lied-von-eis-und-feuer-die-herren-von-winterfell-2
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