„Weil es beim Journalismus nicht nur um das Medium geht, um das Ergebnis oder um eine bestimmte Stimme. Es geht um eine Erwartung.“
Damit beginnt Sarah Gliddens Dokumentationsreise in den Nahen Osten. In ihrer Graphic Novel „Im Schatten des Krieges -Reportagen aus Syrien, dem Irak und der Türkei“, welche 2016 im Reprodukt Verlag erschienen ist, thematisiert die Autorin die Komplexität des Irakkrieges, sowie dessen schwerwiegende Folgen. Zudem klärt sie über die Kunst und die Kontroversen im Journalismus, aber auch über die Schwierigkeiten der Kriegsberichterstattung auf. Persönliche Erlebnisse der Menschen im Irak und moralische Fragen, die sich aus dem Krieg ergeben, werden porträtiert.
In der Graphic Novel, die auf wahrer Begebenheit beruht, dokumentiert sie ihre Reise, auf der sie zwei junge Journalisten und gleichzeitige Freunde aus Jugendzeiten, sowie einen Veteranen, der im Irak gekämpft hat, begleitet. Die Journalisten sind nicht wirklich arriviert und arbeiten vielmehr freiberuflich, möchten aber abseits vom „Embedded Journalism“ (eingebetteter Journalismus), also der Form der Kriegsberichterstattung, bei der Journalisten eine im Krieg kämpfende Militäreinheit begleiten, aufklären. Ihre Reise beginnt 2010 in der Türkei, führt sie in den Irak und Syrien. Hierbei fokussiert sie sich auf eine realitätsorientierte, vielschichtige und professionelle Berichterstattung. Eigentlich… zu viel für nur ein Buch?
„Im Schatten des Krieges“ verfügt über ein äußerst hochwertiges und ansprechendes Layout. Einband sowie einzelne Seiten sind mit kleineren Graphiken versehen, welche das Thema unterstützen. Des Weiteren findet sich eine Karte im Einband, welche die geographische Lage darstellt. Auch die einzelnen Abschnitte werden von passenden Bildern eingeleitet. Hinzu kommt, dass die einzelnen Bilder detailliert und aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt sind. Das Format der Graphik Novel unterstützt den Leser dabei das Thema besser und vor allem tiefgründiger zu verstehen. Dem entgegen ist zu bemerken, dass sie Farbgebung eher inadäquat scheint. Auch wenn warme und farbenreiche Bilder ansprechend sind, wirken sie teilweise konträr, fast schon skurril zum eigentlichen Thema. Einige vergangene, historische Geschehnisse werden farblich dunkler und trister dargestellt, jedoch nicht alle, was wiederum verwirrt, da man nicht immer zwischen Gegenwart und Vergangenem differenzieren kann.
Einerseits sind die einzelnen Stationen der Reise, anhand einzelner Kapitel, verständlich dargestellt und eingeleitet, was das Leseverständnis fördert, andererseits ist der Einstieg in das Buch sehr verwirrend. Auf knapp 40 Seiten werden die Vorgeschichten, sowie die Motive der einzelnen Protagonisten erzählt. Einzelne Rückblenden werden zusammengeworfen und nicht eingeleitet, wodurch es dem Leser maßgeblich erschwert wird den Gedankensprüngen und den damit verbundenen Handlungsorten zu folgen.
Auch wenn es sich um eine Graphic Novel handelt, die mit verhältnismäßig wenig Wörtern zurechtkommt, wird eine recht anspruchsvolle und lebendige, sowie fesselnde Sprache verwendet, die das Interesse des Lesers weckt. Sie unterstützt die Tragweite des Themas mit einer gewissen Ernsthaftigkeit ohne trocken zu wirken. Dies wird unterstützt durch Begriffe wie „torpedieren“ oder „narrativer Bogen“.
Wichtig zu erwähnen: Diese Begriffe stehen zu Beginn des Buches. Wenn Sarah Glidden selbst, die eine Reise durch ein Kriegsgebiet dokumentiert, beim Anblick einer Kanone fragt: „Und damit beschießt man Gebäude?“, wirkt das ganze doch recht banal und verliert eine Spur an Seriosität. So auch einige Aussagen des Veteranen Dan, wenn sich dieser zu seiner Zeit im Irak äußert. Auf Einwände seiner Mitreisenden, wie, dass auch Kameraden gestorben seien, erwidert er: „Ja. Vier Jungs insgesamt. Das war natürlich nicht lustig. Aber ich erinnere mich hauptsächlich an irgendwelche Lachanfälle und eine gute Zeit mit Freunden.“ Und auch wenn es sich bei diesen Äußerungen nicht um erfundene handelt, wirken sie so dargestellt, ohne weitere Erklärung, die Thematik verharmlosend. Außerdem wird eine Definition für „Journalist“ genannt, jedoch werden dann wiederum Wörter wie „Infanterieausbildung“ oder „Bataillon“ nicht weiter erläutert.
Entgegen einzelner Kritikpunkte ist „Im Schatten des Krieges“ insgesamt sehr informativ und facettenreich. Glidden schafft es, viele Themen, Kontroversen und verschieden Meinungen verständlich zu bündeln. Es wird, ohne zu romantisieren, über die (Selbst)Zweifel der Beteiligten erzählt, was verdeutlicht, dass insbesondere der Journalismus etwas ist, wofür es keine Anleitung gibt. Man gerät in Gewissenskonflikte und Zweifel. Interviews mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, prägende Erlebnisse und verschiedene Ansichten geben einen vielschichtigen und gleichzeitig nur kleinen Einblick in die Tragweite eines Krieges. Wir werden nie vollkommen den Schmerz, die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung von Kriegsbetroffenen nachvollziehen können. Insbesondere in der aktuellen Zeit, in der der Journalismus in einigen Ländern Repression erfährt und Kriege herrschen, helfen uns Bücher wie „Im Schatten des Krieges“ die Folgen eines Krieges zu verstehen und was geschieht, wenn wir uns nicht alle gemeinsam für die Demokratie einsetzen.
Alles in allem empfehle ich das Buch selbstverständlich für diejenigen, die sich für den Irakkrieg interessieren, aber auch für alle, die sich gerne mit Politik, dem Weltgeschehen und Weltfragen beschäftigen. Bücher wie „Im Schatten des Krieges“ die die Folgen eines solchen thematisieren, betreffen uns alle. Da man für die Graphic Novel ein gewisses Vorwissen benötigt empfehle ich es ab 14/15 Jahren, beziehungsweise ab Klasse 9/10.
Insgesamt vergebe ich 4 von 5 LESEPUNKTEN.