Die Geschichtsliteratur ist voll von Heldentaten bekannter Charaktere aus der Vergangenheit, aber waren früher wirklich alle so erfolgreich? Zweifelsohne nicht; viele Leute erledigten ihre Aufgaben wahrscheinlich eher schlecht als recht. Um auch diesen Personen ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken, hat das Autorenduo Oliver Jungen und Wiebke Porombka, beide sowohl Mitarbeiter/in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als auch als Kritiker/in im Hörfunk und Onlinedienst tätig, nun mehrere Biografien historischer Persönlichkeiten in einem Buch verpackt.
Das Buch „Deutsche Nullen - Sie kamen, sahen und versagten”, veröffentlicht im Jahr 2016 im C.H. Beck Verlag, beinhaltet 17 Kapitel mit gehässig-satirischen Portraits von Versagern aus der jüngeren deutschen Geschichte. Helden seien nicht individuell und viel interessanter sei die andere Seite, heißt es gleich zu Beginn. Die Verfasser lassen kein gutes Haar an den Gescheiterten und wollen den Leser/die Leserin mit ironischen und witzigen Sprachpointen vom lächerlichen Scheitern der Hauptakteure überzeugen. Die Auswahl der Nieten ist groß und so werden Männer aus den unterschiedlichsten Bereichen des öffentlichen Lebens, wie etwa Adlige oder Politiker, vorgestellt.
Zu den beschriebenen Menschen gehören Heinrich von Treitschke, ein damals angesehener Historiker, der Preußen extrem verherrlichte und durch antisemitische Aussagen in negativer Erinnerung blieb, genauso wie Leopold von Hohenzollern, der für Feste und Feiern lebte, mit Politik jedoch nichts am Hut hatte, und König Ludwig II. von Bayern, welcher dem Freistaat Bayern mit seinen Bauten als Touristenattraktionen noch heute Geld einbringt. Zudem stellen die Autoren den Außenminister des Dritten Reichs Joachim von Ribbentrop als von England und Deutschland gehasste Witzfigur mit fehlender Intelligenz dar. Ein besonders unterhaltsames Kapitel ist Richard Ungewitter gewidmet. Er war überzeugter Pionier der FKK-Bewegung, der zahlreiche Schriften mit exhibitionistischen und nationalistischen Inhalten veröffentlichte. Ein weiteres Kapitel steht im Namen von Herman Sörgel, dessen kurioser Plan es war, die Erdoberfläche umzugestalten, sodass Europa wieder mit Afrika verbunden wäre. Sein Vorhaben scheiterte unter anderem an den Italienern, welche nicht wollten, dass ihre Hafenstädte durch die Umstrukturierung im Landesinneren lägen. Weiterhin berichten die Autoren von Bernhard Kimmel, der um berühmt zu werden, vortäuschte, verschiedene Straftaten begangen zu haben. Dass er dann jedoch auch dafür bestraft wird, war eine Neuigkeit für ihn. Den Abschluss des Buchs bildet Thomas Middelhoff, der durch sein selbst ernanntes „Sparfuchs-Dasein” (zwei Villen, Yacht, uvm.) und den damit gekoppelten Aussagen schnell zur Witzfigur Deutschlands wurde.
Die Kapitelüberschriften bestehen aus passenden Begriffen für den jeweiligen Versager, wie zum Bespiel „Das letzte Einhorn” (Kaiser Wilhelm II.) oder „Die Dampfspritze”(Egon Krenz).
Geeignet ist das Buch für LeserInnen vom Jugend- bis zum Erwachsenenalter, die sich für historische Themen interessieren.
Vorerst sind die gelungenen Aspekte des Buches zu nennen, welche zum einen die originelle Grundidee des Buches ist und zum anderen die Informativität des Werkes. Man erfährt von Menschen, die einem noch nie zuvor begegnet sind. Dennoch gibt es einige Kritikpunkte, wie die oft zu satirische Art der Autoren, durch die ihr Schreibstil nahezu beleidigend wirkt. Ein anderer Kritikpunkt ist, dass die Verfasser nur die negativen Eigenschaften der „Versager” nennen und Positives verschweigen. Um verschiedene Zusammenhänge und Anspielungen der Autoren zu verstehen, ist außerdem ein gutes geschichtliches Allgemeinwissen von Vorteil.
Eine originelle Idee und feuilletonistisches Talent bilden zusammen eine unterhaltsame, aber teilweise doch sehr zynische Freizeitlektüre für Geschichtsliebhaber.