"Als ich klein war, dachte ich, alles wird so future-mäßig besser geworden sein.
Ist es nicht.
Wird es nicht.
Oder?"
Die Frage nach der Zukunft beschäftigt die Menschheit seit je her. Ob Religion, auf Wahlplakaten, in Science Fiction Filmen, der Frage nach dem zukünftigen Beruf oder an der Börse. Wir stehen in dauerhafter Wechselwirkung mit dem schleierhaften Konstrukt der Zukunft. Zukunftsvisionen bestimmen unser Handeln. Sich Fragen hinsichtlich der Zukunft zu stellen, ist vermutlich das menschlichste der Welt. Jede Antwort unterscheidet sich von der anderen und zeigt eine individuelle Realität, aber auch eine gesellschaftliche Stimmung auf, die unsere Zukunft beeinflusst.
Das Graphic Novel "The future is ... 14 Comics über die Zukunft", erschienen im Carlsen Verlag 2024, ist eine Kooperation von 14 Künstler*innen, die ihre Zukunftsvorstellung verbildlicht haben. Die Herausgeberin und Lektorin ist Lilian Phitan. Die Zukunftsideen gehen von Dystopien und Science Fiction, über Utopien, bis hin zur abstrakten Zusammensetzung verschiedener Wortschnipsel und Farbklecksen. Schwerpunkte werden dabei insbesondere in den derzeitigen Hauptthemen unserer Gesellschaft gesetzt.
Gentechnik, Schönheitswahn, der in absurde Schönheitsoperationen mündet, Bildung von mächtigen Overlords, sowie einer zerstörten oder veränderten Natur als Folge des ungezügelten Kapitalismus einer neoliberalen Welt, einer geteilten Welt - Und dennoch gibt es Hoffnung.
Das Graphic Novel ist eine Sammlung aus Comics 14 verschiedener Autor*innen. Die Zeichenstile und Schwerpunktsetzungen unterscheiden sich entsprechend untereinander. Dennoch wurden die Comics vier Unterüberschriften zugeordnet: Die Comics mit dem Thema Technorama setzen einen Schwerpunkt auf künstliche Intelligenz und schädlicher neuer Erfindungen, die die Menschen im allgemeinen oder die Ärmeren ausbeutet. Die Comics unter dem Thema Schöne neue Welt fokussieren sich auf die Ausbeutung der Natur, einer zerstörten Umwelt und teilweise der Bildung einer neuen Elite. Leben lassen: Comics dieser Kategorie beschreiben eine absurde Zukunft, die der Fantasie keine Grenzen setzt. Die Ideen gehen von der Ausbeutung kleiner Hundewelpen, über die atheistische Welt bunter Wesen, die in einer Diktatur leben, bis hin zu einer Menschheit in der Galaxie, die mit Sporen-Wesen zusammen lebt. Ich und Du: Auch Familie und Zusammenhalt spielen in der Zukunft eine wichtige Rolle. Sei es in einer Familiengemeinschaft aus sprechenden Tieren, der Freundschaft zweier Menschen, deren Welten geteilt wurden, dem Umgang mit einer Essstörung oder der Bedeutung der Familie. Der Beantwortung der Frage nach der Zukunft, wird mal mehr mal weniger gelungen nachgegangen. In den aller meisten Fällen sind die Zukunftsvisionen negativ. Die Natur ist zerstört, die Welt in Elite und Arbeiter oder Territorien eingeteilt. Es handelt von Ausbeutung und Sorge vor den Folgen neuer Errungenschaften, wie der künstlichen Intelligenz, möglicher neuer Erfindungen, wie einem Teleprompter und der Kritik an der Leistungsgesellschaft.
Trotz dieser diversen negativen Prognosen scheint es Grund zur Hoffnung zu geben. Die Natur regeneriert sich, Menschen setzen sich für sich für sich ein, Menschlichkeit wird zur Bewältigungsstrategie.
Wie bereits erwähnt, ist die grundlegende Antwort zu "The future is..." nicht immer gleichermaßen nachvollziehbar beantwortet. Da es keine kohärente Geschichte gibt, wird in dieser Rezension auf ein besonders ansprechendes Comic eingegangen. Das besonders ansprechende Comic handelt von einem KI Modell in einem Forschungsprogramm, das eine mögliche Zukunft berechnet und diese im Chatformat der Forschungseinrichtung schildert. Die Illustration ist aufwendig und ästhetisch gestaltet. Es handelt sich um eine Utopie, die den Untergang der Gesellschaft als eine positive Alternative darstellt, in der ideologische Vorstellungen keine Bedeutung mehr haben. Es erinnert an Naturvölker. Diese Darstellung ist besonders spannend, insbesondere wegen der Entscheidung des KI Modells am Ende des Comics. Es lohnt sich dieses Comic zu lesen. Auffallend ist die Liebe zum Detail in den Zeichnungen und die hoffnungsvolle Botschaft auf ein humaneres und ruhigeres Miteinander in der Zukunft.
Letztlich haben diese Ideen kaum Aussagekraft über die tatsächliche Zukunft. Einige sehr abstrakte Vorstellungen dienen sicherlich nicht dazu die Zukunft zu illustrieren. Vielmehr zeigen sie eine allgemeine Stimmung in der Bevölkerung auf und bieten die Möglichkeit, die gegenwärtigen Ergebnisse reflektierter zu betrachten. Viele noch so absurde Ideen, stellen Kritik an unserem ausbeuterischen Leben im Überfluss dar.
Glaubt man die Zukunftsvisionen der Künstler*innen, sieht es für uns sehr düster aus. Doch der Blick in die vermeintliche Glaskugel dient der Prävention. Insofern ist das Graphic Novel für jeden interessant, der sich gerne genauer mit Zukunftsideen beschäftigen möchte und verstehen will, wie die Welt gesehen werden kann. Denn die Zukunftsvorstellung sagt viel über die gesellschaftlichen Sorgen und Ängste aus. Obwohl einige Comics sehr unrealisitsche und absurde Bilder von der Zukunft zeichnen, kann ich das Buch aus den eben genannten Gründen weiterempfehlen. Hoffentlich löst das Graphic Nocel eine Gedankenkaskade aus, die zu neuen Ideen und Fragen führt und dazu beiträgt, dass wir weiter kritisch nachfragen. Man sollte immer daran denken, dass wir Einfluss auf die Zukunft haben und diese dadurch transparenter wird. Vielleicht hilft dieses Buch dabei selbst Initative zu ergreigen.
Insofern vergebe ich für das Graphic Novel 4 von 5 LESEPUNKTEN.