In „You’d Be Home Now" thematisiert Kathleen Glasgow einfühlsam den Drogenmissbrauch und erzählt eine bewegende Geschichte aus der Ich-Perspektive von Emory, der jüngsten Tochter einer wohlhabenden Familie. Der Roman beginnt mit einem tragischen Unfall, der Emory und ihre Familie zutiefst erschüttert. Emorys Bruder Joey ist drogenabhängig, und sein Zustand belastet die Familie bereits vor dem Unfall schwer. Emory fühlt sich oft unsichtbar, während sie versucht, zwischen der Rolle der perfekten Tochter und ihrer Fürsorge für Joey zu jonglieren.
Einblicke in die Geschwister-Beziehung
Im Verlauf der Handlung kehrt Joey von seinem Entzug zurück, was neue Herausforderungen und Einblicke in die Dynamik zwischen den Geschwistern mit sich bringt. Emorys Charakter wird dabei liebevoll ausgearbeitet: Sie ist schüchtern, liebt ihre Familie und trägt gleichzeitig eine schwere Last auf ihren Schultern. Ihre Gefühle von Erschöpfung, Überforderung, Angst bis hin zur Verzweiflung sind greifbar und machen sie zu einer authentischen Hauptfigur.
Freundschaft
Besonders zugänglich ist das ambivalente Verhältnis zwischen Emory und Joey. Allerdings hätte ich mir aber noch ein oder mehrere Kapitel aus seiner Sicht gewünscht, beispielsweise am Ende des Buches. An und für sich hat mir jedoch der Schluss der Autorin sehr gut gefallen. Auch die Entwicklung ihrer Freundschaften und die Annäherung an eine alte beste Freundin, deren Freundschaftsende durch Emorys Mutter verursacht wurde, spielen eine wichtige Rolle in der Handlung.
Aufklärung eines zentralen Themas
Die Autorin Glasgow schafft es, das Thema Drogenmissbrauch sensibel und realistisch zu behandeln, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben. Das schlichte Cover des Buches deutet bereits auf das zentrale Thema hin und passt gut zur Atmosphäre der Geschichte. Die Auflistung von Hilfeseiten am Ende des Buches unterstreicht Glasgows Engagement für die Aufklärung und Unterstützung in Bezug auf Suchtprobleme. Obwohl ich niemanden in meinem Bekanntenkreis kenne, der von Drogenabhängigkeit, Alkohol und Zigaretten ausgenommen, betroffen ist, fand ich es erschreckend zu lesen, dass in den USA jährlich über 20 Millionen registrierte Menschen mit Drogenmissbrauch zu kämpfen haben. Leser*innen, die ein Happy End oder eine einfache Lösung erwarten, werden in diesem Werk nicht fündig. Aber wer ein Buch mit Tiefgang sucht, das zum Nachdenken anregt, ist hier genau richtig.
Wenig Spannung
Trotz der starken emotionalen Resonanz und der gelungenen Charakterzeichnungen verliert sich die Handlung manchmal in Nebensächlichkeiten und könnte straffer mit weniger Figuren erzählt werden. Obgleich der Roman stets flüssig und mitreißend geschrieben ist, mangelt es ihm an Spannung, da es sich hauptsächlich um Alltagssituationen einer 16-Jährigen handelt. Auch die Nebencharaktere, insbesondere Emorys Freundeskreis, bleiben teilweise oberflächlich und stereotypisch.
Emotionale und realistische Darstellungen
Abschließend würde ich „You’d Be Home Now“ als einen ergreifenden und fesselnden Roman beschreiben, der sich perfekt für Leser*innen eignet, die emotionale und realistische Darstellungen von Familienkonflikten, Sucht und Selbstfindung schätzen, insbesondere für Fans zeitgenössischer Jugendliteratur, in der schwierige Themen sensibel und authentisch behandelt werden.
Ich vergebe 4 von 5 LESEPUNKTEN und wage zu behaupten, dass Kathleen Glasgow ein Werk geschaffen hat, das sich nicht hinter dem Klassiker „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" verstecken muss.