„Geheimnisse sind Lügen“, ist der Grundsatz des Riesenkonzerns „Circle“: Ein Unternehmen, das seine Kunden mit einer einzigen Online-Identität ausstattet und somit Dienste wie Google, Twitter, Facebook etc. eint. Die genialsten Köpfe der „Generation Internet“ arbeiten für diesen beliebten Arbeitgeber, der seinen Angestellten neben einem kreativen und fordernden Job gute Bezahlung, die beste medizinische Versorgung, Selbstverwirklichung, luxuriöses Freizeitprogramm und Zugriff auf alle großartigen Innovationen des Konzerns bietet. Dieser Vorzeige-Gigant hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Internet zu revolutionieren - es durch die Abschaffung von Anonymität und durch volle Überwachung transparent, sicher und einfach zu machen
Mae Holland darf sich zu den Glücklichen zählen, einen dieser Traumjobs ergattert zu haben. Begeistert stürzt sie sich in die Arbeit, doch merkt bald, dass es beim „Circle“ nicht ausreicht seine Aufgaben gut und gewissenhaft zu erledigen. Man muss die Firmenphilosophie leben und atmen, man muss Teil der Community, des Kreises und überall präsent sein, sich präsentieren. Nachdem sie für einen vermeintlich kleinen Fehler zur Rechenschaft gezogen wird, avanciert Mae zum Vorzeigemitglied des „Circle“, wird ein völlig transparenter Mensch, der bereit ist, für die Firmendoktrin ihre Familie, ihre Freunde und nicht zuletzt sich selbst aufzugeben. Dadurch tritt sie eine Lawine fataler Ereignisse los, die niemand mehr zu kontrollieren vermag… Doch wer ist der mysteriöse Mann, der versucht, sie zu warnen?
Der Roman punktet mit seiner Alltagsrelevanz, indem er die Frage stellt: „Wie transparent darf eine Gesellschaft sein?“ Denn längst ist das, was in dem Buch dargestellt wird, keine weit hergeholte Dystopie mehr. Der Google-Konzern könnte glatt Modell für den „Circle“ gestanden haben. Die NSA-Affäre, Vorschläge bei YouTube oder Jobablehnungen aufgrund von Partybildern bei Facebook führen es uns tagtäglich vor Augen: unsere Gesellschaft ist vernetzt, unsere Privatsphäre löchrig.
„Der Circle“ verteufelt das Internet jedoch nicht, er beschreibt lediglich die Entwicklung einer Internetgesellschaft, in deren Verlauf der Leser für sich selbst den Punkt finden muss, an dem es ihm zu kritisch wird. Der Roman liefert interessante und differenzierte Denkansätze und kritisiert unseren nachlässigen Umgang mit dem Internet, legt offen, inwiefern die moderne Gesellschaft selbst Nährboden für diese nicht allzu ferne Dystopie liefert. „Der Circle“ enthält starke und kontroverse Argumente, denen sich zu widersetzen für die Protagonisten/innen wie für die Leser/innen eine Herausforderung bedeutet und zu einer Auseinandersetzung mit der Thematik anregt.
Mit dem Kopf in den philosophischen Wolken hat der Autor wohl den Boden der Tatsachen vergessen.
Handlung und Figuren sind nur Pappkulisse – letztere machen ihrem Vergleich alle Ehre, sie bleiben flach, unsympathisch, schwarz-weiß. Der vermeintlich hochintelligente Hauptcharakter Mae nervt durch Naivität und wirkt dadurch unglaubwürdig. Die Nebenfiguren verkommen durch einseitige und lächerliche Eigenschaften zu Karikaturen.
Alles in allem kommt die Handlung plump und vorhersehbar daher; die Lösung des Mysteriums um den geheimnisvollen Fremden eröffnet sich dem/r aufmerksamen LeserIn bereits ziemlich zu Beginn des Romans. Das Ende bricht sehr abrupt und logisch nicht ganz ausgereift herein und lässt den/die LeserIn perplex mit der Frage zurück, ob das soeben Gelesene eine Satire sein sollte oder irgendetwas anderes.
Die Sprache wirkt schlicht und unliterarisch, versucht durch Umgangssprache und viel Gefluche modern zu wirken, bleibt dabei aber holprig. Dadurch bereitet das Lesen wenig Freude.
Einem Vergleich mit Huxleys „Schöne neue Welt“, der auf dem leuchtend orangenen Cover versprochen wird, kann „Der Circle“ jedenfalls nicht standhalten.
Ich kann den Hype um das Buch nicht verstehen – was nicht daran liegt, dass ich, als typische Vertreterin meiner Generation, mich gegen Kritik am Internet wehre, nur ist nicht jedes Buch, das sich mit dem Thema Internet befasst, aufgrund des verarbeiteten thematischen Rohstoffs gleich gelungen. Der Autor hat wichtige Gedanken zu Papier gebracht, aber die Form, in der er es getan hat, ist weder unter dramaturgischen noch sprachlichen Gesichtspunkten lesenswert. Seine Argumente sind es aber wert, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt. Schade, dass man sich dafür durch 550 Seiten kämpfen muss, von denen man sich viele sparen könnte.
Ich gebe dem Buch 2 Lesepunkte, da die klugen Gedanken trotz schlechter Verpackung zu würdigen sind.