Der in drei Teile gegliederte Roman „Olga“ von Bernhard Schlink, erschienen 2018 im Diogenes Verlag, erzählt zunächst die Liebesgeschichte von Olga Rinke und Herbert in der Zeit des Ersten Weltkriegs, bezieht aber auch weitere Ereignisse der deutschen Geschichte zwischen 1883 und 1971 mit ein.
Im ersten Teil wird aus einer auktorialen Erzählposition Olgas Leben beschrieben, wie sie als Kind Ende des 19. Jahrhunderts ihre Eltern verliert, bei ihrer Großmutter in Pommern in ärmlichen Verhältnissen aufwächst und dort den Jungen Herbert kennen- und lieben lernt, der im Gegensatz zu ihr aus einer reichen Gutsbesitzerfamilie stammt. Olga hat schon als Kind immer den Wunsch gehabt, mehr zu lernen, als Mädchen es in dieser Zeit taten, wobei sie mit diesem Wunsch häufig aneckt. Dennoch schafft sie es, sich später zu einer Lehrerin ausbilden zu lassen.
Im ersten Teil wird zudem erzählt, wie Herbert in den deutschen Kolonien in Afrika zur Zeit des Ersten Weltkriegs kämpft, was die ohnehin komplizierte Liebesbeziehung zwischen Olga und Herbert noch erschwert. Später träumt Herbert davon, die Arktis zu erforschen. Olga unterstützt ihn hierbei, obwohl sie an seiner Reise zweifelt. Herbert geht auf diese Reise, für Olga beginnt eine Zeit des Wartens, doch Herbert kehrt nicht zurück.
Der Autor beschreibt weiter, wie Olga versucht, mit dem Tod ihres Geliebten zurechtzukommen und wie sie während der Herrschaft der NSDAP ihren Job verliert, weil sie nicht so unterrichtet, wie die Nazis es gerne hätten. Auch ihre Flucht während des Zweiten Weltkriegs wird beschrieben.
Der zweite Teil erzählt in personaler Erzählform vom jungen Pastorensohn Ferdinand, bei dessen Familie Olga als Näherin arbeitet. Für Ferdinand ist Olga eine wichtige Gesprächspartnerin, die ihm auch Geschichten über ihr Leben erzählt, hier vor allem über Herbert und von einem ehemaligen Nachbarjungen namens Eik, um den sich Olga häufig gekümmert hat. Olga unterstützt mit ihren Geschichten Ferdinand in seiner Entwicklung und bietet ihm damit Orientierung, gerade als Olga ihn während seiner pubertär-rebellischen Phase der ersten Verliebtheit im Gegensatz zu seinen Eltern ernst nimmt, ihm einfach nur zuhört und von ihren Liebeserfahrungen mit Herbert berichtet.
Der dritte Teil besteht aus dreißig Briefen, die Olga während verschiedener Phasen ihres Lebens an Herbert geschrieben hat, und aus einem kurzen Nachwort von Ferdinand. Nach Olgas Tod findet Ferdinand Olgas Briefe und liest sie. Der Inhalt dieser Briefe hält einige Überraschungen für Ferdinand und den Leser/die Leserin des Buches bereit.
„Olga“ ist ein Roman, mit dem man sich beschäftigt und der zum Nachdenken anregt, besonders über die Vergangenheit, was diese über die Gegenwart und Zukunft aussagt. Denn Olga hat im Laufe ihres Lebens zwar viel erlebt, jedoch zeigt sich, dass sich viele Geschichten bzw. die Geschichte selbst in ähnlicher Weise immer zu wiederholen scheint.
Besonders interessant ist es, dass man viele Handlungen des ersten Teils des Romans erst versteht, wenn man die Briefe in den letzten Kapiteln liest. In dem Moment ist es so, als würde man Olga, die einem schon durch die vorigen Kapitel sehr vertraut geworden ist, wirklich in all ihren Facetten persönlich kennenlernen, vollkommen verstehen, wie sie denkt, handelt bzw. gehandelt hat.
Die Sprache des Romans wirkt anteilig etwas fremd, da sie der Zeit, in der die einzelnen Handlungen spielen, angepasst ist. Damit ist „Olga“ ein Buch, das man nicht so einfach nebenher lesen kann, sondern man muss sich wirklich darauf einlassen. Besonders für Geschichtsinteressierte und Liebhaber von Liebesgeschichten ohne Happy End ist „Olga“ wirklich empfehlenswert, denn gerade die historischen Aspekte, wie sie mit der Liebesgeschichte zwischen Olga und Herbert vernetzt sind, sind besonders interessant.
Durch die beiden Protagonisten zeigt Schlink zudem verschiedene Denkweisen und Sichten auf das Geschehen des Ersten Weltkriegs: Auf der einen Seite steht Herbert, der stolz in den Krieg für sein Vaterland zieht und dabei davon träumt, alles größer und besser zu machen. Auf der anderen Seite ist Olga, die den Sinn der politischen Ereignisse oft hinterfragt und nach Eigenständigkeit strebt, ihre Entscheidungen selbstständig trifft und sich nicht von anderen beeinflussen lässt - ungewöhnlich für eine Frau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Alles in allem ist „Olga“ ein Roman, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt, der einem die deutsche Geschichte in seiner Art näher bringt, als es die Geschichtsbücher in der Schule tun. "Olga" bekommt von mir 4 von 5 LESEPUNKTEN.
ich habe viele Bücher von SCHLINK gelesen auf Deutsch und Rusisch, jetzt lese ” Olga” auf Rusisch.Es is so geschrieben dass ich alles für eine echte Geschichte verstanden habe…Ich bin begeistert !