Redaktioneller Rückblick auf die Lesung aus “Mein verwundetes Herz – das Leben der Lilli Jahn” mit Autor Martin Doerry
Redaktioneller Rückblick auf die Lesung aus “Mein verwundetes Herz – das Leben der Lilli Jahn” mit Autor Martin Doerry
Donnerstag 06.05.2019: Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln.
Mit seinem Buch „Mein verwundetes Herz – das Leben der Lilli Jahn“ dokumentiert Martin Doerry auf Grundlage von mehr als 500 privaten Briefen an und von Lilli Jahn die Lebensgeschichte seiner 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordeten jüdischen Großmutter, deren Nachkommen heute in England, Israel und Deutschland zuhause sind.
Im Rahmen des >>school is open<< 4.0-Themenjahres „100 Jahre Alija von Alumni der Universität zu Köln | Geschichten der Einwanderung nach Israel“ fand am 06.05.2019 eine Lesung mit dem Autor Martin Doerry statt. Vor rund 100 Interessierten – darunter SchülerInnen von drei Kölner LESEPUNKTE-Kooperationsschulen (Katharina-Henoth-Gesamtschule, Kaiserin-Theophanu-Schule und Kaiserin-Augusta-Schule) – las Dr. Martin Doerry, studierter Historiker und Spiegel-Journalist, zunächst aus der von ihm dokumentierten Biographie, erzählte dann von der außergewöhnlichen Entstehungsgeschichte des Buches und beantwortete abschließend Fragen der ZuhörerInnen.
Bis zur Veröffentlichung des Buches war es kein leichter Weg, jahrzehntelang war das Schicksal ihrer Mutter Lilli Jahn von ihren fünf Kindern verdrängt worden. Erst im Nachlass des ältesten Sohnes Gerhard Jahn tauchten 1998 die Briefe, die man bis dahin vernichtet glaubte, wieder auf und die noch lebenden Kinder Lilli Jahns wurden mit der Erinnerung an ihre Kindheit und das Aufwachsen während des Nationalsozialismus konfrontiert.
Lillis Töchter konnten sich, so erzählt Martin Doerry, zunächst „nicht vorstellen, dass die Leidensgeschichte ihrer Mutter fremden Menschen preisgegeben werden würde; sie fürchteten eine Plünderung ihrer persönlichen Gefühle und Erinnerungen“ (Doerry 2018, 16). Martin Doerry argumentierte für eine Veröffentlichung der Lebensgeschichte seiner Großmutter mit politischen Argumenten:
„Jede neue Biografie, jede authentische Quelle aus der NS-Zeit erreicht auch neue Leser und ist schon deswegen ein Gewinn für die politische Kultur der Gegenwart und das historische Bewusstsein kommender Generationen. […] Fast alle autobiografischen Zeugnisse erzählen die Geschichte von Überlebenden. […] Es fehlt also die Erfahrung jener Opfer, die den Holocaust nicht überlebt haben. Selbstverständlich finden sich Ausnahmen […]. Aber das Typische ist eben doch die abenteuerliche Rettung aus höchster Not“ (Doerry 2018, 16).
Lilli ist der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten aber nicht entkommen… Und auch heute leben wir „in einer Welt voll von Antisemitismus und Fremdenhass“ (Doerry 2018, 18) – weshalb es umso wichtiger ist, die Geschichten der Opfer des Nationalsozialismus, wie die Lilli Jahns, in Erinnerung zu halten.
So werden sich die SchülerInnen, die an der Lesung teilgenommen haben, auch über das Gespräch mit dem Autor hinaus mit der Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg und den zeitgenössischen Formen von Antisemitismus und Fremdenhass auseinandersetzen: Es werden Rezensionen zu Doerrys Biographie seiner Großmutter, Berichte zur Lesung und zu weiterführenden schulischen Projekten für ein friedsames und tolerantes Miteinander verfasst und in einigen Wochen hier auf der LESEPUNKTE-Seite veröffentlicht und an dieser Stelle verlinkt.
Einen Rückblick auf die Lesung durch die OrganisatorInnen <<school is open>> 4.0 der Lesung sowie die noch folgenden Veranstaltungen der Themenreihe sind zu finden unter: http://schoolisopen.uni-koeln.de/31896.html. Vor einigen Tagen ist außerdem ein Bericht zu Lilli Jahn erschienen, auf den wir an dieser Stelle gerne verweisen: https://www.ksta.de/kultur/den-anonymen-opfern-ein-gesicht-geben-32452978.