Illustratorin und Kinderbuch-Autorin Ute Krause über die Bedeutung des Lesens, die Schattenseiten des digitalen Zeitalters und den Entstehungsprozess des von ihr geschriebenen und illustrierten Kinderbuchs ‚Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben‘
Illustratorin und Kinderbuch-Autorin Ute Krause über die Bedeutung des Lesens, die Schattenseiten des digitalen Zeitalters und den Entstehungsprozess des von ihr geschriebenen und illustrierten Kinderbuchs ‚Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben‘
Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse haben die LESEPUNKTE mit der deutschen Illustratorin und Kinderbuch-Autorin Ute Krause über ihr neues Kinderbuch gesprochen. ‚Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben‘ erzählt von einer verrückten Piraten-Crew, einem mächtigen Zauberer, einem dunklen Geheimnis und einer abenteuerlichen Reise durch die Sieben Weltmeere...
Lesepunkte: Spaghetti, Möwenspiegelei und Currywurst – Essen zieht sich durch Ihr neues Kinderbuch Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben wie ein roter Faden. Was war denn Ihr persönliches Lieblingsessen als Kind?
Ute Krause: Mein Lieblingsessen war Tandoori Chicken. Das liegt daran, dass ich als Kind, im Alter von 10 bis 14 Jahren, in Indien gelebt habe.
Lesepunkte: Das bringt mich direkt zu meiner nächsten Frage: Sie haben als Kind – wie gerade schon angesprochen – nicht nur in Indien, sondern auch in vielen verschiedenen Ländern gelebt und sind auch heute noch auf der ganzen Welt zuhause. Ziehen Sie aus den vielen Reisen und unterschiedlichen Wohnorten Inspiration für das Schreiben Ihrer Bücher?
Ute Krause: Durchaus! Vor allen Dingen deswegen, weil wir – meine Familie und ich – im Alltag viel improvisieren mussten und wir immer wieder mit neuen, überraschenden und unerwarteten Begebenheiten umzugehen hatten. Als Kinder hatten wir zum Beispiel nicht viel Spielzeug und mussten uns mit dem zufrieden geben, was es gerade gab, oder mit Spielzeugen spielen, die meine Mutter auf dem Basar gekauft hat. Dadurch habe ich ‚gelernt‘, kreativ zu sein.
Wir sind auch mit dem Bewusstsein aufgewachsen, mit unserem Lebensstil und unseren Haltungen nicht unbedingt in vorgegebene Formen passen zu müssen und haben uns deshalb in gewisser Weise eine Offenheit gegenüber dem Leben behalten.
Lesepunkte: Diese Kreativität und ihr ‚Freigeist‘ spiegelt sich – wie ich finde – auch in Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben. Die von Ihnen entwickelten Figuren haben Namen wie ‚Alchibar‘, ‚Smutje‘ und ‚Thai‘ – alles andere als 0815-Namen. Welche Geschichten stecken hinter diesen ausgefallenen Namen?
Ute Krause: Jeder Name hat eine andere Quelle. Ich habe einen Hund, der heißt ‚Theo‘ und der Name bedeutet so viel wie ‚Geschenk Gottes‘ und daher hat sich das ergeben. Dann habe ich eine Katze, die wie die Katze im Buch aussieht. Es ist eine Thaikatze und deswegen heißt sie ‚Thai‘. ‚Alchibar‘ ist ein etwas älterer Name in den germanischen Legenden rund um Raben gewesen. Der Name von ‚Chan Long‘, im Buch ja in gewisser Weise ein Zauberer, ist inspiriert aus der chinesischen Mythologie.
Lesepunkte: Nun haben Sie die Geschichte rund um Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben nicht nur geschrieben, sondern auch – und das ist das Besondere – selbst illustriert. Mich würde interessieren, wie sich die Arbeit als Autorin und zugleich Illustratorin aussieht: Was war zuerst da, die Figuren, die Geschichte oder einzelne Szenen und wie kommt man zu der Entscheidung, welche Szenen des Buches illustriert werden und welche nicht?
Ute Krause: Zunächst habe ich die Geschichte aufgeschrieben, hatte dabei aber schon das Aussehen der Figuren im Hinterkopf. Im Manuskript des Buches unterstreiche ich dann in der Regel die Szenen, die ich am liebsten mag, auf jeden Fall illustrieren möchte und beginne, genau diese auszuarbeiten. Danach schaue ich auf die Verteilung der Illustrationen auf den einzelnen Buchseiten – es ist z.B. ungünstig, drei Bilder auf einer Manuskriptseite zu haben. Und an einem Punkt muss man als Illustratorin ausrechnen, wie viele Illustrationen man überhaupt prozentual insgesamt einführen kann. Manchmal muss dann eine Illustration ausgelassen werden und zwei Seiten später eine vergleichsweise vielleicht nicht ganz so spannende Szene illustriert werden – sodass auf fast jeder Doppelseite eine Illustration dabei ist und sich eine insgesamt stimmige Verteilung der Bilder ergibt.
Die Figuren, die ich beim Schreiben der Geschichte im Kopf habe, bringe ich dann unterschiedlich schnell auf Papier: Vor bzw. während des Zeichnens der Figuren setzte ich mich damit auseinander, wie genau die Figuren aussehen, die ich mir ausgedacht habe.
Beim Raben wusste ich zwar sehr schnell, wie er aussehen soll, habe trotzdem viele Skizzen gemacht und Fotos von Raben im Netz angeschaut, bis sich dann aus vielen verschiedenen Fotos für mich einen Raben entwickelt hat. Für Smutje habe ich auch einige Skizzen gemacht bis ich die Figur so auf Papier hatte, wie ich sie mir vorstellte. Für Theo habe ich ein altes Foto meines Sohnes aus seiner Kindheit als Vorbild genommen. Bei der Katze Thai habe ich meine eigene Katze skizziert und diese Skizze zu abstrahieren versucht.
Beim Illustrieren ist mir insgesamt wichtig, ihren Charakter auch in der Art und Weise, wie ich sie illustriere, widerzuspiegeln und das Zeichnen der Figuren ist ein Prozess. So sollte der viel zu lange Hals, der bei realen Katzen ja eigentlich nicht vorhanden ist, und ihre dürre Gestalt zeigen, dass Thai sehr alt ist und in ihrem Katzenleben bereits viel erlebt hat. Das Illustrieren meiner Geschichten bereitet mir insgesamt große Freude!
Lesepunkte: Besonders ins Auge gestochen ist mir die große Illustration, auf der die Kracke zu sehen ist!
Ute Krause: Diese Illustration war eine der Szenen, die ich markiert habe und unbedingt zeichnen wollte. Wobei nun gleich auf mehreren Seiten hintereinander große Illustrationen sind – normalerweise macht man das nicht. Aber ich wusste, dass sind zwei so dramatische Szenen, die musste ich beide illustrieren. Hier habe ich also die ‚Regel‘ gebrochen und zwei große Illustrationen hintereinander eingeführt.
Lesepunkte: Und wie lange hat es gedauert, das ganze Buch zu illustrieren?
Ute Krause: Mit Pausen bestimmt drei Monate – ich war in der Zeit nämlich auch in Abu Dhabi und mit dem Goethe-Institut unterwegs. Es erfordert allerdings sehr konzentriertes Arbeiten, ein Buch zu illustrieren. Es ist anstrengend, es geht auf den Rücken und auf die Gelenke, denn ich gehöre zu den wenigen, die tatsächlich noch nicht am Computer illustrieren. Ich arbeite mit Aquarell, weil ich einfach glaube, dass man mit dem digitalen Zeichnen noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen kann, die man mit dem analogen Zeichnen erreicht. Es entstehen inzwischen zwar schöne Sachen, aber für mich ist das Zeichnen per Hand nochmal ein anderes Gefühl, das macht die Zeichnung für mich nochmal lebendiger.
Lesepunkte: Beim (Vor-)Lesen fällt sofort das ‚rollende R‘ bei Alchibar ins Auge. Ich kann mir richtig gut vorstellen, dass ein Rabe genauso sprechen würde. Wie ist diese Idee entstanden und wie hat der Verlag auf diesen sprachlichen Kniff reagiert?
Ute Krause: Das mit dem ‚rollenden R‘, war tatsächlich schwierig. Wir mussten aufpassen, dass wir nicht zu viele ‚rollenden Rs‘ drin haben und es insgesamt noch gut lesbar ist. Ich hatte zuerst zu viele ‚rollende Rs‘ im Text, die ich wieder rausnehmen musste, bis wir die richtige Menge an ‚Rs‘ hatten. Dieser sprachliche Kniff ließ sich in der Hörbuchfassung natürlich fantastisch umsetzen. Wenn ich bei einer Lesung aus dem Buch vorlese, rolle ich mein ‚R‘ auch und ich glaube, wenn die Eltern das Buch vorlesen und das ‚R‘ rollen, können die Kinder sich das ganz gut vorstellen. So habe ich versucht, jeder Figur einen eigenen Sprachton zu geben. Deswegen ist die Figur Smutje jemand der sagt, „haben wir das? Ja, das haben wir“ oder „Können wir das? Ja, das können wir“.
Lesepunkte: Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben sprüht voller Fantasie, es gibt fliegende Schiffe, sprechende Tiere, Essenswunschbäume und die Möglichkeit, die Zeit zurückzudrehen. Welche Bedeutung hat Fantasie Ihrer Meinung nach beim Aufwachsen in der heutigen Zeit?
Ute Krause: Ich bin in einer Generation aufgewachsen, die gelernt hat, niemals Langeweile zu verspüren. So brauche ich oft nur einen Stift und Papier. Wenn mich jemand auf eine einsame Insel schicken und fragen würde, was ich dorthin mitnehmen möchte, wäre meine Antwort: „reichlich Papier und Stifte“! Ich kann mich hinsetzten und erfinden und das ist für mich ein sehr großes Glück.
Die Jugendlichen der heutigen Zeit haben da ganz andere und neue Herausforderungen: Alle besitzen schon sehr früh ein Smartphone und das alltägliche Leben findet mehr und mehr digital statt. Was ich mich frage, ist: Wenn man die Welt nur noch digital erlebt und alles digital vorgesetzt bekommt, wie viel Motivation hat man dann noch, selbst etwas zu erschaffen? Das ist eine spannende Frage auf die ich keine Antwort weiß. Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, Kindern und Jugendlichen beizubringen, welche Bedeutung Bücher in unserem Leben einnehmen können, dass auch Bücher – und nicht nur Smartphones – Welten eröffnen können.
Lesepunkte: Das sehen wir bei LESEPUNKTE genauso! Der Protagonist Theo wird in dem Ferienlager von seinen Mitbewohnern aufgezogen und gezankt. Und doch freundet er sich später, als er wieder in die Schule geht, mit einem von ihnen an. War es Ihnen ein Anliegen, das Thema Mobbing als Nebengeschichte in den Handlungsverlauf einzuflechten?
Ute Krause: Ja, war es! Damit wollte ich zeigen, dass wir alle letztendlich den Weg zum Guten suchen und dass wir alle lernfähig sind, den Weg dorthin zu finden, wenn wir dazu bereit sind. Deswegen wollte ich auch eine Figur haben, die am Anfang mitgemobbt hat und später merkt, dass es ihr das leidtut. Und trotzdem war bzw. ist es mir wichtig, in und mit meinen Büchern den bekannten ‚pädagogischen Zeigefinger‘ nicht so offensichtlich zu erheben.
Lesepunkte: Noch eine letzte Frage: Würden Sie manchmal gerne die Zeit zurückdrehen, so wie Thai und Theo im Buch?
Ute Krause: Manchmal schon, obwohl ich eigentlich ganz zufrieden bin, wo ich derzeit stehe. Im Leben hat immer wieder die Qual der Wahl, ob man nach links oder nach rechts gehen will und ich fände es schon sehr spannend, einmal zu schauen, was gewesen wäre, wenn ich in bestimmten Situationen anders entschieden hätte.
Lesepunkte: Möchten Sie noch etwas erwähnen, was ich vielleicht nicht gefragt habe?
Ute Krause: Ich wünsche mir nur, dass ich die Kinder mit dem Buch erreiche…
Lesepunkte: Das ist ein nachvollziehbarer Wunsch. Vielen Dank, dass ich Sie interviewen durfte!
Ute Krause: Es war mir ein Vergnügen!
Empfohlene Zitierweise
Interview mit Ute Krause (Jana Rüttgers). In: LESEPUNKTE 2019, URL: https://www.lesepunkte.de/interview/illustratorin-und-kinderbuch-autorin-ute-krause-ueber-die-bedeutung-des-lesens-die-schattenseiten-des-digitalen-zeitalters-und-den-entstehungsprozess-des-von-ihr-geschriebenen-und-illustrierten-kinde/Bitte setzt beim Zitieren dieses Beitrags hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Eures letzten Besuchs dieser Online-Adresse.