Dr. Angela Maas berichtet von ihrer Arbeit und ihren Zielen als Organisatorin der lit.Kid.Cologne sowie ihren persönlichen Höhepunkten des letztjährigen Literaturfestivals
Dr. Angela Maas berichtet von ihrer Arbeit und ihren Zielen als Organisatorin der lit.Kid.Cologne sowie ihren persönlichen Höhepunkten des letztjährigen Literaturfestivals
„Wir wollen Leseförderung nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger betreiben.“
LESEPUNKTE: Sie sind seit 2001 verantwortlich für das Kinder- und Jugendprogramm der lit.Cologne. Wie hat sich das Literaturfestival Ihrer Meinung nach seitdem verändert?
Angela Maas: Vor allem sind wir sehr, sehr groß geworden. Im ersten Jahr war ich alleine verantwortlich für 26 Veranstaltungen, und in diesem Jahr (2015; Anm. d. R.) waren es 99. Die lit.Cologne dauert auch nicht mehr fünf, sondern 10 bzw. 11 Tage. Seit einigen Jahren bin ich auch nicht mehr alleine, sondern organisiere das Kinder- und Jugendprogramm mit Christine Labonté sowie Ute Wegmann als Beraterin. Der Qualitätsanspruch war von Anfang an gleich. Wir wollten von vornherein ein gutes, großes, wertiges Kinderprogramm schaffen, das genau so ernst genommen wird wie das Erwachsenenprogramm. Ich glaube, wir haben es bisher geschafft, diesem Anspruch sehr gut gerecht zu werden.
LESEPUNKTE: Welche Ziele verfolgen Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen? Geht es Ihnen vor allem darum, ein unterhaltsames Literaturfestival zu organisieren oder haben Sie in Ihren Augen auch einen besonderen Bildungsauftrag?
Angela Maas: Das eine schließt das andere nicht aus. Es ist ganz wesentlich, dass die Kinder und Jugendlichen gerne zu unseren Veranstaltungen kommen und etwas von dort mitnehmen – und sei es nur der Spaß am Lesen. Vielleicht werden sie durch die Lesung neugierig auf das Buch und werden angeregt, es einmal komplett zu lesen und ihm den Wert beizumessen, den es hat. Es wird häufig angemahnt, dass die Kinder nicht mehr lesen, weil sie die Spielekonsole, das Internet oder das Smartphone für spannender halten. Insofern ist der Ansatz, unterhaltsam zu sein, schon einmal ein guter. In gewisser Weise steht da auch ein Bildungsauftrag dahinter. Wir wollen Leseförderung betreiben, aber nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger daherkommen und ein intellektuelles Bildungsprogramm abliefern. Ich glaube, wenn man es schafft, die Kinder und Jugendlichen für die Veranstaltungen zu begeistern, dann begeistern wir sie über einen Umweg fürs Buch, und damit wäre der Bildungsauftrag erfüllt.
LESEPUNKTE: Worin besteht Ihre persönliche Motivation?
Angela Maas: Es macht einfach unglaublich viel Spaß! Das Festival war von Anfang an sehr erfolgreich, obwohl wir im ersten Jahr natürlich noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten mussten. Inzwischen kommen die Autorinnen und Autoren wirklich gerne zur lit.Cologne, sogar solche, die sonst nur wenige Lesungen machen. Viele empfinden es mittlerweile sogar als Ehre, zur lit.Cologne eingeladen zu werden. Das ist wiederum sehr schön für uns und macht die Programmarbeit leichter, weil die Kommunikation mit Verlagen und Autorinnen und Autoren meistens sehr erfreulich verläuft. Außerdem ist es schön zu sehen, dass das Publikum das Programm sehr gut annimmt. Wir hatten noch nie so volle Häuser wie dieses Jahr, sodass wir sogar Veranstaltungen doppeln mussten.
LESEPUNKTE: Gab es für das diesjährige Jugendprogramm der lit.Kid.Cologne einen thematischen Schwerpunkt bzw. welches Konzept haben Sie bei der Organisation verfolgt?
Angela Maas: Einen thematischen Schwerpunkt hatten wir nicht. Wir versuchen immer eine Bandbreite zu schaffen zwischen lustigen Geschichten über Piraten, Gespenster, Ritter usw. und ernsten Themen wie „Der Fotograf von Auschwitz“, der Geschichte von Malala Yousafzai, Mobbing in der Schule oder der Integration von Menschen mit Behinderungen. Diesen Anspruch haben wir jedes Jahr. Neu in diesem Jahr war, dass wir zum ersten Mal auch die Vorschulkinder zu Lesungen aus Bilderbüchern eingeladen haben, was sehr gut funktioniert hat. Wir haben auch eine Veranstaltung an k50 „abgegeben“. Das ist ein Schülermagazin, welches letztes Jahr über die lit.Cologne berichtet hat und nun mit der Bitte an uns herangetreten ist, selbst eine Lesung gestalten zu dürfen. Sie haben selbst ein Buch ausgewählt und die Autorin eingeladen, und zwar Anna Seidel mit ihrem Buch „Es wird keine Helden geben“ über den Amoklauf an einer Schule. Die Autorin ist 19 Jahre alt und hat das Buch bereits mit 16 geschrieben. Das haben wir vorher so noch nicht gemacht, aber es hat hervorragend funktioniert, weil alle super vorbereitet waren.
LESEPUNKTE: Wie fällt Ihre Bilanz zur lit.Kid.Cologne 2015 aus und was waren Ihre persönlichen Höhepunkte?
Angela Maas: Man denkt ja in jedem Jahr: „So voll war es noch nie.“ In diesem Jahr war es aber tatsächlich so – mit gedoppelten Lesungen und rappelvollen Häusern, z.B. 500 Kinder auf dem Literaturschiff bei Andreas Hüging oder Heinz Rudolf Kunze in der Comedia, bei dem die Leute tobten und die Laola durchs Publikum ging. Der allergrößte Teil der 99 Veranstaltungen war richtig gut, weshalb ich hochzufrieden bin. Bei den persönlichen Höhepunkten tue ich mich schwer: Es war sehr schön, Mathias Steinhövel wieder hier zu haben oder Lorenz Pauly zu erleben, der in der Schweiz ein Superstar ist und ganz tolle Lesungen macht, oder auch so berührende Lesungen wie die von Anke Engelke aus dem Roman „Paul ohne Jacob“ von Paula Fox.
LESEPUNKTE: Gibt es schon Ideen und Konzepte für das 16. Mal im nächsten Jahr oder besondere Visionen für die Zukunft der lit.Kid.Cologne, die Sie unbedingt umsetzen möchten?
Angela Maas: Nein, ganz spezielle Visionen habe ich nicht. Wir überlegen natürlich immer, was wir im letzten Jahr nicht mehr unterbringen konnten aber gerne noch einmal aufgreifen möchten. Wir setzen uns wie in den vergangenen Jahren ab sofort immer wieder zusammen, lesen Bücher und Verlagsvorschauen, sammeln Ideen, und nach dem Sommer geht es wieder in die heiße Phase. Im Oktober wird das Programm schließlich zusammengestellt.
(Interview: Philipp Scherber)
Kurzbiografie
Dr. Angela Maas wurde 1959 in Aachen geboren und studierte Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, wo sie im Jahr 1986 mit einer Arbeit zur "Reichskristallnacht" promovierte. Bereits während des Studiums arbeitete sie als freie Mitarbeiterin bei Zeitungen und Zeitschriften sowie als Redakteurin der Kindernachrichtensendung "Mini ZiB" beim ORF.
Anschließend folgten redaktionelle Tätigkeiten und die Moderation verschiedener Fernseh- und Radiosendungen beim WDR und 3sat. Ihre Erfahrungen gibt sie heute in Mediencoachings an andere Journalisten weiter. Seit 2001 organisiert Angela Maas das Kinder- und Jugendprogramm der lit.Cologne.
Empfohlene Zitierweise
Interview mit Angela Maas (Philipp Scherber): In: lesepunkte 10 (2015), Nr. 1. URL: http://lesepunkte.uni-koeln.de/interview/dr-angela-maas-berichtet-von-ihrer-arbeit-und-ihren-zielen-als-organisatorin-der-lit-kid-cologne-sowie-ihren-persoenlichen-hoehepunkten-des-letztjaehrigen-literaturfestivals/Bitte setzt beim Zitieren dieses Beitrags hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Eures letzten Besuchs dieser Online-Adresse.