„Ihre Evakuierung aus Groß-Hamburg wird hiermit befohlen. Der Abtransport wird umgehend durchgeführt. Ihr Barvermögen gilt als beschlagnahmt. Sie haben sich mit ihrer Kennkarte, Pass, Arbeitsbuch und den Lebensmittelkarten in dem Haus Moorweidenstraße 36 (Logenhaus) einzufinden.“
Im spannenden und extrem fesselnden Jugendroman ,,Heul doch nicht, du lebst ja noch“ von Kirsten Boie geht es um die Zeit kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 im zertrümmerten Hamburg. Eine traurige Kindheit liegt hinter Jakob, Traute und Hermann.
Die drei Jugendlichen leben in einer Welt, in der Juden benachteiligt werden. Juden dürfen zum Beispiel nicht ins Schwimmbad, zur Schule, in die Straßenbahn oder haben in der Nacht Ausgangssperre. Jakob ist 13 Jahre alt und ,,jüdischer Mischling ersten Grades". Er versteckt sich in den Ruinen des zerbombten Hamburg und ist dabei komplett auf sich alleine gestellt, denn Herr Hofmann, der alte Mann, der ihn dort versteckte und mit Essen versorgte, ist auf einmal spurlos verschwunden. Jakobs ,,deutschblütiger" Vater ist tödlich verunglückt und seine jüdische Mutter wurde mit einem der letzten Züge nach Theresienstadt deportiert, zu einem ,,Arbeitslager", in Wirklichkeit sollte es jedoch Endstation bedeuten, denn keine einzige Person, die dorthin deportiert wurde, kam jemals wieder zurück.
Hermann ist 14 Jahre alt und überzeugter Hitlerjunge, obwohl sein Vater verkrüppelt aus dem Krieg gekommen ist. Sein Vater Fiete ist streng, hat schlechte Laune und brüllt den ganzen Tag herum. Er ist auf Hermanns Hilfe angewiesen, da er beide Unterschenkel verloren hat und von ihm auch zur Toilette getragen werden muss. Hermanns Mutter Ursel arbeitet hart und organisiert alleine das Leben der Familie. Wird Hermann sich nun sein Leben lang um seinen Vater kümmern müssen? Was wird aus seiner Zukunft?
Traute ist auch 14 Jahre alt. Sie ist Bäckerstochter und sollte eigentlich glücklich sein, denn sie und ihre Eltern sind kriegsunversehrt, doch Traute leidet vor allem unter dem Verlust ihrer Freundinnen. In ihrem Wohnzimmer sind Flüchtlinge aus Ostpreußen einquartiert worden, gefallen tut dies Traute nicht besonders, denn sie müssen sich mit Ihnen das Bad und die Küche teilen.
Ich finde, dass Kirsten Boie mit Hermann, Traute und Jakob die Auswirkungen des Krieges deutlich sichtbar macht. Es gab Armut, Hunger, Kriegsversehrte, Trümmer, Verluste und zerstörte Familien. Sie erzählt abwechselnd aus allen drei Perspektiven und schafft es, dass das Buch extrem fesselnd ist, da jeder auf unterschiedliche Art und Weise unter den Folgen des Krieges leidet. In die Charaktere kann man sich sehr gut hineinversetzen, da alles sehr detailliert erzählt wird. Ich finde es toll, dass aus der Sicht von Kindern geschrieben wird, und finde auch, dass das Buch sehr gut recherchiert ist. Besonders toll fand ich, dass hinten im Buch einige Begriffe erklärt wurden, die im Roman vorkamen. Spannend war, dass die Hintergrundgeschichten erst nach und nach offenbart werden. Die Handlungen und Entscheidungen der einzelnen Charaktere sind sehr passend und nachvollziehbar, sodass die Lesemotivation die ganze Geschichte über erhalten bleibt.
Der Roman ist auf jeden Fall sehr lesenswert!
Aus meiner Sicht kann man den Roman ab einem Alter von 13 Jahren gut lesen.
Ich gebe dem Buch 5 von 5 LESEPUNKTEN.