Die als Comic verfasste Auto-Biographie „Zweite Generation – Was ich meinem Vater nie gesagt habe“ von Michael Kichka, geboren im Jahr 1954, handelt von seiner persönlichen Beziehung zu seinem Vater. Dieser wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und musste dort die Vernichtung seiner gesamten Familie miterleben.
Wie lebt man als Sohn oder Tochter eines Überlebenden? Wie lebt man mit alltäglichen Andeutungen und Kommentaren ohne die Zusammenhänge zu verstehen?
Michael sucht schon im Kindesalter nach Antworten auf viele Fragen aus der Zeit der Judenverfolgung zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und baut sich sein Bild des Holocausts aus vielen Einzelteilen zusammen. Im Internat wird er von Lehrern und Mitschülern mit Vorurteilen konfrontiert und muss sich beweisen und rechtfertigen. Die Gedanken an die Hitlerzeit verfolgen ihn im Alltag sowie auch in seinen Träumen, doch er kann mit niemandem darüber sprechen. Sobald Michael auf die Schule kommt, erwartete sein Vater von ihm, Klassenbester zu sein, da er „seine Vergeltung an Hitler“ sei.
Nach außen wirkt die Familie Kichka immer vorbildlich und makellos, doch bei genauerem Hinsehen kann man feststellen, dass das Lächeln auf den Fotos von Michael und seinen Geschwistern nur erzwungen und gestellt ist. Im Verlauf des Comics stellt sich Michael die Frage, ob er als „sein Sohn“ nicht immer dazu verurteilt ist, seinen Vater zufriedenzustellen als Ausgleich für das, was dieser in der Nazizeit erleiden musste.
Der erste Blick auf das Cover weckte meine Neugierde, da es sich offensichtlich um ein ernstes Thema handelte, welches in Form eines jugendlichen Comics gestaltet worden ist. Der Klappentext gab mir die ersten wichtigen Informationen, die mein Interesse an dem Alltag einer Familie mit diesem Schicksal verstärkten. Während ich das Buch las, bemerkte ich, dass ich viele Wörter selbst nicht verstand, doch leider fand ich keine Erklärungen zu bestimmten Begriffen. Diese hätten mir allerdings sehr geholfen, die Zusammenhänge im Text besser zu verstehen. Deshalb bin ich der Meinung, dass man zum Verständnis des Buches über gewisse Vorkenntnisse verfügen sollte oder dass man vielleicht ein Glossar mit Worterklärungen im Buch anfügen könnte.
Trotzdem hat mir diese Scripted Novel das schwierige und komplizierte Leben sehr umfassend und eingängig vermittelt, mit dem auch die Nachkriegsgeneration der im Zweiten Weltkrieg verfolgten Juden schwer zu kämpfen hat.
Insgesamt ist der Comic „Zweite Generation“ sehr interessant, lesenswert und regt dazu an, Fragen zu stellen und über das Schicksal der Kinder und Enkelkinder der Überlebenden des Holocausts nachzudenken. Zudem fasziniert mich die Gestaltung des Comics, die sehr eindrucksvoll die Gefühlswelt der Figuren darlegt. Allerdings darf man – bei dem ernsten Thema – keinen lustigen oder fantasievollen Comic erwarten. „Zweite Generation“ bekommt von mir 4 Lesepunkte: sehr gutes Buch!