Für die meisten von uns sind Insekten bloß unangenehme Parasiten. Doch nicht für Hidde. Seit dem Tod seines Bruders Ward gehört der hauseigene Keller ihm. Und er erfüllt ihn voll mit Leben. Würmer, Raupen, Grillen und Käfer sind in vielen Terrarien untergebracht. Doch sein Keller gerät in Gefahr, denn sein größerer Bruder Jeppe braucht den Keller für sein Schlagzeug, das er sich bald zulegen möchte. Doch Hidde gibt nicht so schnell auf. Denn wenn Jeppe ihn vertreiben will, bedeutet das Krieg.
In dem Jugendroman „Krasshüpfer“, im niederländischen Original „Spinder“, von Simon van der Geest, veröffentlicht im Jahr 2016 beim Thienemann Verlag, geht es um einen Jungen namens Hidde. Er ist anders als andere Kinder und hat keine Freunde, außer seinen Insekten. Hidde verbringt viel Zeit mit seinen Insekten-Freunden, sodass es für ihn ein Schock ist, als sie ihm weggenommen werden sollen. Sein älterer Bruder Jeppe ist genau das Gegenteil von ihm: Grob, unfreundlich und er hat Gefallen daran, Jüngere zu piesacken. Darunter muss vor allem sein kleiner Bruder Hidde oft leiden. Bei dem Streit um den Keller werden anfangs nur kleine Fallen gestellt und Streiche gespielt, jedoch wird Jeppes Verhalten stetig brutaler und es droht, dass der Streit eskaliert.
Die Geschichte „Krasshüpfer“ ist sehr einfühlsam aus der Perspektive von Hidde erzählt, z. B. als Hidde in seinem Keller sitzt und darüber nachdenkt, wie er und seine Insekten dem Zugriff seines Bruders entkommen können:
„Ich habe angefangen, mit meinen Insekten zu sprechen. Wenn ich nicht mehr weiß, was ich machen soll, tue ich das manchmal. Ich drückte meine Nase an das Totengräberglas und erzählte ihnen, was los war. Dass Jeppe sie weghaben wollte. Dass ich alles tat, um das zu verhindern. Aber dass es nun doch ziemlich schwierig wurde.
Sie krochen am Behälter hoch, kreisten um meine Nase. Es war, als fühlte ich sie durch das Glas.“ (S. 173)
Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Brüdern Hidde und Jeppe steht im Mittelpunkt der Handlung. Van der Geest lässt uns, indem er die Geschichte in Form eines Tagebuches erzählt, aus der Nähe teilhaben an Hiddes Gefühlen und Gedanken und den ständigen Reibereien mit seinem älteren Bruder. Als LeserIn erlebt man die dunklen Momente der beiden mit, man erkennt allerdings auch oft kleine Hoffnungsschimmer, wie die „Romanze“ mit einem Mädchen, die Hidde auf andere Gedanken und in eine gute Stimmung bringt. Auf diese Weise zieht das Buch den Leser/die Leserin in seinen Bann.
Meiner Meinung nach ist dies eine besondere Geschichte, die vor allem wegen des Kontrastes zwischen dem schüchternen, verschlossenen Hidde und dem selbstbewussten, ruppigen Jeppe so fesselt. Die beiden Geschwister haben keine gute Beziehung zueinander. Trotzdem hofft man als LeserIn, dass sie sich versöhnen. Ganz besonders ergreifend finde ich, wie kindgemäß und gleichzeitig so schlüssig und überzeugend der Autor Simon van der Geest die Geschichte erzählt. Deshalb ist es für mich nicht überraschend, dass der Autor 2013 mit dem „Goldenen Griffel“ ausgezeichnet wurde, dem wohl bedeutendsten niederländischen Jugendliteraturpreis.